Versucht hat es Bürgermeister Michael Ludwig. Eine umfassende Verteidigungsrede hätte am Beginn seiner freitäglichen Befragung durch die Untersuchungskommission zur Wien Energie stehen sollen. Der – seitens der Wiener SPÖ bereits gut eingeübte – Tenor: Der dramatische Finanzbedarf des städtischen Versorgers und die Freigabe eines 1,4-Milliarden-Euro-Kredits per Notkompetenz seien dem Krieg in der Ukraine und der volatilen Situation an den Energiemärkten geschuldet gewesen. Und weil es die türkis-grüne Bundesregierung verabsäumt habe, einen Schutzschirm für deshalb strauchelnde Energieunternehmen aufzuspannen, habe eben kurzfristig die Stadt einspringen müssen.

Doch Ludwig hatte die Rechnung ohne den Vorsitzenden, Richter Martin Pühringer, gemacht. Der unterbrach Ludwigs Redeschwall nach wenigen Minuten. Nicht ohne ihn zu ermahnen, beim Thema zu bleiben: Verhandlungsgegenstand der U-Kommission sei nicht das Agieren der Bundesregierung, erinnerte er. Gnädiger zeigte sich Pühringer bei Ludwigs Outfit: Seinem Ersuchen, das Sakko ausziehen zu dürfen, gab der Vorsitzende angesichts des ausbaufähigen Raumklimas im Top 24 des Wiener Rathauses statt.

Ludwig nahm pünktlich um 10 Uhr vor der U-Kommission Platz, Landesparteisekretärin Barbara Novak und Klubchef Josef Taucher stärkten ihm den Rücken.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Ins Schwitzen versuchte der Richter Ludwig dennoch zu bringen. Gut eine Stunde lang befragte er den Wiener Stadtchef, um die Abläufe bei der Kreditvergabe und dem Ziehen der Notkompetenz zu rekonstruieren. Ludwigs Auftritt hatte der U-Kommission ungewohntes Publikumsinteresse beschert: Neben zahlreichen Medienvertreterinnen und -vertretern waren zur Unterstützung Wiener SPÖ-Granden wie Landesparteisekretärin Barbara Novak und Klubchef Josef Taucher erschienen.

Antrag binnen 30 Minuten abgearbeitet

Ludwig blieb in seiner Befragung bei seiner bisherigen Darstellung der Geschehnisse. Die da lautet: Am 8. Juli habe ihn Magistratsdirektor Dietmar Griebeler "in sehr allgemeinen Worten" am Rande einer Mittagsveranstaltung darauf angesprochen, dass die Wien Energie oder deren Mutterkonzern Wiener Stadtwerke zusätzlichen Liquiditätsbedarf haben könnten. Am 12. Juli sei er auch vom zuständigen Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) über diese Möglichkeit informiert worden.

Begleitet wurde der Bürgermeister bei seiner Befragung von Rechtsanwalt Johannes Zink.
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Am 15. Juli schließlich habe er dann Kenntnis darüber erlangt, dass extreme Preisentwicklungen zu befürchten gewesen seien. "Es war somit geboten, per Notkompetenz eine Entscheidung über die Kreditgewährung in der kürzestmöglichen Zeit herbeizuführen", beteuerte der Stadtchef. Auch die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des Stadtsenats habe man nicht abwarten können.

Ob Ludwig also am 15. Juli zum ersten Mal über das "Projekt Notkompetenz" erfahren habe, hakte der Vorsitzende nach. Er sei knapp vor Einlangen des entsprechenden Antrags von seinem Präsidialchef informiert worden, sagte Ludwig aus. "Schließlich musste ich auch physisch vorhanden sein." Der Antrag sei vorab von fünf Stellen im Rathaus geprüft worden und binnen einer halben Stunde im Bürgermeisterbüro abgearbeitet und unterzeichnet worden. Im Anschluss habe an diesem Tag sein Büro das Büro von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr – und damit der pinken Koalitionspartner – informiert.

Schielen auf den Schnitzelgutschein

Die genauen zeitlichen Abläufe stehen deshalb so im Fokus, weil sie dafür entscheidend sind, ob Ludwig die Notkompetenz zu Recht gezogen hat – anstatt Stadtsenat oder Gemeinderat einzubinden. Und das ist wiederum zentraler Untersuchungsgegenstand der U-Kommission.

Die rechtliche Debatte dazu ersparte der Vorsitzende den Anwesenden bewusst. Dafür sorgte er mit einer laut Eigenaussage "blöden Frage" für Erheiterung. Von Pühringer nach den Beweggründen dafür befragt, niemanden über die Kreditvergabe zu unterrichten, sagte Ludwig: "Ich bin vielleicht altmodisch, aber ich informiere immer die laut Stadtverfassung vorgesehenen Kollegialorgane. Das sind nachträglich der Finanzausschuss, der Stadtsenat und der Gemeinderat." Er habe also nicht das persönliche Bedürfnis verspürt, Mitglieder dieser Organe informell zu informieren? Ludwig verwertet Pühringers Vorlage: "Ich stelle meine persönlichen Bedürfnisse hinter die Informationserfordernisse des Amts."

Angetan zeigte sich Pühringer vom raschen Fortgang der Befragung: "Ich danke Ihnen für die kurzen und prägnanten Antworten." Lediglich sein Stellvertreter, Richter Einar Sladecek, hatte bei der Fortsetzung der Befragung durch die politischen Vertreterinnen und Vertreter eine Bitte: Er ersuchte darum, zur Mittagszeitzeit nicht ständig den – einst ebenfalls per Notkompetenz auf den Weg gebrachten – Schnitzelgutschein zu erwähnen.

Handy bleibt unter Verschluss

Vertreter der Opposition übten Kritik am Auftritt des Stadtchefs. "Neben zahlreichen Erinnerungslücken, die sich bei Bürgermeister Ludwig heute aufgetan haben, wird deutlich, wie viel Unkenntnis er damals hatte, als er die Notkompetenz unterzeichnete. Laut eigenen Angaben habe er sich auf die Magistratsbeamten verlassen", merkte FP-Klubchef Maximilian Krauss in einer Aussendung an.

ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch bewertete die Aussagen ähnlich: "Auffällig war, dass der Bürgermeister große Erinnerungslücken zeigte. Absolut verneint habe er in der gesamten Befragung nichts", so Wölbitsch weiter. Auch der Verweis des Bürgermeisters, dass der stete Informationsaustausch mit Stadtrat Hanke sich lediglich auf allgemeiner Basis bewegt habe, sei "völlig lebensfremd".

Der Chef der SPÖ-Fraktion in dem Gremium, Thomas Reindl, beurteilte den Auftritt deutlich positiver: "Bürgermeister Michael Ludwig hat die Verantwortung der Stadt Wien klar skizziert und das wichtige und rasche Handeln erklärt." Ludwig selbst betonte nach der Befragung bei einem kurzen Medientermin, dass er wieder so vorgehen würde wie im vergangenen Sommer. "Ich stehe dazu, ich halte es auch heute für einen richtigen Schritt." Anders gestalten würde er allerdings die Kommunikation mit der Bundesregierung. Auf diese habe man zu wenig Druck in Sachen nationalen Schutzschirm ausgeübt, befand er.

Eine Gewissheit brachte die Befragung definitiv: Die U-Kommission wird weder Ludwigs Handykommunikation noch seine Kalendereinträge um die Kreditvergabe zu Gesicht bekommen. Wie berichtet, hatte die ÖVP Einsicht in das Diensthandy des Bürgermeisters begehrt, er kann allerdings nicht zur Vorlage gezwungen werden. Theoretisch hätte Ludwig die Inhalte bei seiner Befragung vorlegen können, darauf verzichtete er allerdings. Solche Daten würden von den Mobilfunkbetreibern nur drei Monate gespeichert, gab er zu bedenken. Der den Untersuchungsgegenstand betreffende Zeitraum wäre damit nicht mehr abgedeckt: "Ich habe alles, was rechtlich möglich ist, der U-Kommission zur Verfügung gestellt." (Stefanie Rachbauer, 31.3.2023)